Netzrückwirkungen

Eine der wichtigsten Umgebungsbedingungen für den reibungslosen Betrieb von elektrischen Anlagen ist eine ausreichende Netzqualität. Netzrückwirkungen entstehen überwiegend durch den vermehrten Einsatz von Leistungselektronik und können PC's, Mulimedia-Geräte, Steuerungen usw. für Störungen empfindlich machen. Die Problematik liegt einerseits durch den verstärkten Einsatz elektronischer Geräte und andererseits durch die Reduzierung der Signalpegel bei der Datenkommunikation. Mit dem Netzanalysegerät wird die Netzversorgung im Hinblick auf Oberschwingungen, Zwischenharmonischen, Flicker, Transienten, Spannungsänderungen, Spannungsverläufen und Spannungsunsymmetrie überprüft. Mit dem Netzanalysator kann die Amplitudenabweichung und die Phasenabweichung der Spannungen im Drehstromnetz überprüft werden. Des weiteren können über einen längeren Zeitraum die Spannungsschwankungen, Spannungeinbrüche oder kurzzeitige Flicker sowie von der Grundfrequenz abweichende Schwingungen beobachtet werden.

Für die Netzqualität ist die EN 50160 eine zentrale Richtgröße. Diese Norm definiert die Qualität des Stroms anhand ausgewählter Werte der Spannung. Die EN 50160 kontrolliert die Stromqualität am Netzübergabepunkt und innerhalb des Netzes.

  • Transienten


  • Flicker


  • Kurzzeitunterbrechnung


  • Langzeitunterbrechnung


  • Spannungseinbrüche    


  • Kommutierungseinbrüche    


  • Spannungsunsymmetrie     


  • Spannungsschwankungen     


  • Oberschwingungen     
  • imb34

    Transienten

    Transienten sind kurzzeitig, flüchtige Überspannungen, die durch Schaltvorgänge oder durch Spannungseinbrüche im Netz verursacht werden. Diese Spannungsspitzen können durch Schaltereignisse im Netz, dem Ansprechen von Sicherungen und Leistungsschaltern, dem Zuschalten von Kondensatoren, Frequenzumrichter, sowie durch elektrostatische Entladungen wie beispielsweise durch Blitzeinschläge verursacht werden. Die Zeitdauer der transienten Störungen ist kleiner als eine Netzperiode und bewegt sich im Bereich von Nano- bis Mikrosekunden. Hierbei werden jedoch Spannungsspitzen bis zu mehreren Kilovolt erreicht, die ohne Gegenmaßnahmen zu erheblichen Schäden führen. Mögliche Auswirkungen sind Geräteausfall, Gerätezerstörung, Rechnerabstürze, Datenübertragungsprobleme sowie Brandgefahr.

    Transiente Spannungsspitzen können mit einer Überspannungsschutzeinrichtung (ÜSE) wirksam abgeleitet werden. Je nach Einsatz benötigt man Geräte vom Typ 1 (Grobschutz), Typ 2 (Mittelschutz) oder Typ 3 (Feinschutz). Der Grobschutz vom Typ 1 ist mit seiner Funkenstrecke ein Wellenbrecher und dient überwiegend als Blitzstromableiter, da nur dieser Typ vor höchsten Blitzstößen schützt. Für kurzzeitige Transienten von geringer Ladung genügt ein Überspannungsschutz vom Typ 2 oder Typ 3 bestehend aus Varistoren. Fehlt die Blitzschutzeinrichtung von Typ 1 bei einer Anlage, so besteht die Gefahr, dass der Typ 2 beim Auftreten starker Stoßströme die Schutzwirkung nicht erfüllen kann. Die Folge wäre eine Zerstörung der Überspannungsschutzeinrichtung vom Typ 2 und Überspannungsspitzen am Verbraucher. Ein Überspannungsschutz vom Typ 3 schützt die Endgeräte und ist erhältlich für den Einbau in Steckdosen oder als steckbares Gerät, das dem Verbraucher vorgeschaltet ist.

    Flicker

    Flicker sind kurzzeitige Leuchtdichteschwankungen, die sich durch vorübergehende Spannungsschwankungen bemerkbar machen. Die Spannungsschwankungen liegen innerhalb des Toleranzbandes der zulässigen Netzspannung, weisen aber eine hohe Empfindlichkeit für das menschliche Auge auf. Flicker können sich sehr störend auf das Wohlbefinden des Menschen auswirken. Sie sind in erster Linie nur störend, können aber auch zu schnellerer Ermüdung oder Schwindel führen. Meist werden Flicker durch schnell ändernde Lasten wie z.B. Klimaanlagen, Durchlauferhitzer, Lichtbogenöfen, Laserdrucker oder Aufzugsanlagen erzeugt. Zur Abhilfe von Flicker können hier groß dimensionierte Leiterquerschnitte, Anlaufstrombegrenzungen, sowie Sanftstarter bei Motoren dienen.

    Kurzzeitunterbrechung

    Kurzzeitunterbrechungen können bei einem Gewitter durch einen Überschlag an einer Hochspannungsfreileitung entstehen. Auch schadhafte Verbindungen an Leiteranschlussklemmen können Kurzzeitunterbrechungen bewirken. Die Auswirkung ist eine sehr große Stromspitze bei Wiederkehr der Netzspannung, die zum Ansprechen von Überstromschutzeinrichtungen führen kann. Eine Abhilfe ist möglich durch eine USV-Anlage, Überspannungsschutz sowie groß dimensionierte Leiterquerschnitte.

    Langzeitunterbrechung

    Langzeitunterbrechungen sind Spannungsunterbrechungen in einem Zeitraum größer 3 Minuten. Gegen längere Spannungsunterbrechungen werden die Verbraucher mittels einer USV-Anlage geschützt.

    Spannungseinbrüche

    Spannungseinbrüche der verfügbaren Netzspannung entstehen beim Zuschalten eines leistungsstarken Motors. Der Anlaufstrom verursacht an der Netzimpedanz einen hohen Spannungsfall, so dass die verfügbare Netzspannung kurzzeitig einbricht. Auch das Aufladen von Zwischenkreisspannungen von Antrieben und Frequenzumrichter führt zu sehr großen Strömen, die ebenfalls Spannungseinbrüche bewirken. Bei gesteuerten Stromrichter tritt der Effekt der fortlaufenden Netzspannungseinbrüche durch das Schalten des Gleichrichters innerhalb einer Frequenzperiode auf. Dies können bei der 6-Puls-Gleichrichterschaltung bis zu 6 Spannungseinbrüche pro Netzperiode sein.

    Die hohen Einschaltströme, die die Spannungseinbrüche verursachen, können zu unerwünschten Netzabschaltungen durch Überstrom führen. Auch Geräteabschaltung infolge der Unterspannung ist möglich. Große Spannungseinbrüche ähneln Abschaltvorgängen, welche die häufigsten Ursachen für transiente Spannungsspitzen sind.

    Um einen Spannungseinbruch zu reduzieren, muss die Netzimpedanz verringert werden. Eine großzügige Auslegung der Leiterquerschnitte kann hier Abhilfe schaffen. Des weiteren können durch eine Netzdrossel die Spannungseinbrüche beim Zuschalten von Frequenzumrichter weitgehend vermieden werden. Die vorgeschaltete Drossel verhindert einen impulsförmigen Einschaltstrom und reduziert so den Spannungseinbruch. Kontinuierliche Spannungseinbrüche, wie sie bei gesteuerten Stromrichtern auftreten, werden generell durch Kommutierungsdrosseln bedämpft.

    Kommutierungseinbrüche

    Bei 6-Puls-Stromrichtern entstehen pro Netzperiode bis zu sechs kurzzeitige Spannungseinbrüche im Millisekundenbereich. Diese Einbrüche entstehen durch Kurzschlüsse der Außenleiter, erzeugt von den Halbleiterelementen der Leistungselektronik. Zur Begrenzung der Spannungseinbrüche werden in bzw. vor diesen Geräten die Kommutierungsdrosselspulen eingesetzt, um eine netzverträgliche Einbrüche unterhalb 20 % der Netzspannung zu erreichen.

    Unsymmetrie

    Als Unsymmetrie bezeichnet man die Abweichung der Effektivwerte der dreiphasigen Netzspannungen und bzw. oder deren Phasenverschiebung von 120°. Im 400V-Netz ist eine max. Abweichung von 8 Volt erlaubt. Die max. Abweichung im 230V-Netz beträgt 5 Volt. Bei elektronischen Geräten mit Drehstromgleichrichtern wird die Stromaufnahme extrem unsymmetrisch, was bei unzureichender Netzimpedanz auch zu Netzrückwirkungen auf Spannungsebene führt.

    Die ungleiche Verteilung von einphasigen Verbrauchern sowie der Betrieb von zweiphasigen Verbrauchern kann eine asymmetrische Belastung der Transformatoren bedeuten. Die Wirklast der Verbraucher ist dabei für ungleichmäßige Phasenspannungen verantwortlich. Gleichzeitig sorgt die Blindlast für Phasenverschiebungen, die von den idealen 120 Grad abweichen.

    Spannungsschwankungen

    Das Netz unterliegt ständigen Spannungsschwankungen, um Netzversorgung und Netzbelastungen innerhalb des Toleranzbandes auszugleichen. Merkliche Spannungsänderungen werden durch das Zu- und Abschalten großer Lasten, Motore, Heizungen, sowie durch das Umschalten von Transformatoren verursacht.

    Nach der Norm sind schnelle Spannungsänderungen bis zu 10 % sogar mehrmals täglich erlaubt. Bei der üblichen Netzspannung von 230 V AC bewegt sich der Toleranzbereich zwischen 207 V und 253 V. In Ausnahme ist eine langsame Spannungsänderung bis zu -15% erlaubt. Dies entspricht einer Netzspannung von 196 V.

    Oberschwingung

    Oberschwingungen sind nicht-sinusförmige Größen, die gemäß Fourier eine Addition von verschiedener sinusförmigen Größen unterschiedlicher Amplitude und Frequenz darstellen. Oberschwingungen sind Schwingungen einer Frequenz, die einem ganzzahligen Vielfachen der Grundfrequenz entspricht. Als Funktion der Zeit beschreibt die Oberschwingung (Harmonische) einen rein sinusförmigen Verlauf. Mit der Fourieranalyse (FFT-Analyse) kann man beliebige periodische Signalverläufe in ihr Frequenzspektrum zerlegen. Dabei zeigt sich, dass diese Signale sich neben dem sinusförmigen Signal mit den Vielfachen der Grundfrequenz zusammensetzen. Beliebige periodische Signalverläufe erweisen sich so als Summe unendlich vieler sinusförmiger Signale.

    In der Elektrotechnik entstanden mit Aufkommen von Gleichrichtern die ersten Oberschwingungserzeuger. Der Einsatz von Stromrichter, Umrichter, Wechselrichter, Ein-/Rückspeisemodule, Schaltnetzteile, Induktionsöfen, Schweißgeräten, Energiesparlampen (ESL), elektronische Vorschaltgeräte, dimmbaren Leuchten usw. sorgt durch immer mehr nichtlineare Verbraucher für eine verzerrte Netzqualität. Alle diese Lasten verursachen zunächst Oberschwingungen, da die Kombination aus Gleichrichter und Glättungskondensator pulsförmige Ströme aus dem Netz entnimmt. Die Gleichrichterlasten führen in der Netzrückwirkung zu einer Abflachung der Sinusform und damit zu Oberschwingungen auch in der Netzspannung. In der Folge kommt es zu Überlastung von Neutralleitern, der Überhitzung von Transformatoren, der Zerstörung von Kompensationen, Überhitzung von Motoren, sowie zu Übertragungsproblemen in der IT. Oberschwingungen tragen zum Gesamteffektivwert bei und führen zu einer höheren Belastung von Sicherungen, mit der Folge eines vorzeitigen Auslösens. Sofern der Neutralleiter nicht absichert ist, kann er durch das Abführen der Oberschwingungsströme unerkannt überlastet werden und dann oft unbemerkt abbrennen. Die dann eintretende Spannungsverlagerung durch offenen Sternpunkt hat verheerende Ausmaße für die angeschlossenen Geräte. Ebenfalls besteht die Gefahr des Brandes durch den überhitzen Neutralleiter.

    Besonders störungseinfließend sind die 3. Harmonische (150 Hz) und die 7. Harmonische (350 Hz), die nicht über eine verdrosselte Kompensationsanlage kompensiert werden können, sondern nur durch aktive Oberschwingungsfilter (OSF). Für die Belastung des Neutralleiter und die damit verbundene Erwärmung, sowie mögliche Überhitzung sind die harmonischen Vielfachen von 3 (3, 6, 9, 12, 15, 18, 21 und 24) verantwortlich. Einen Wärmeinfluss und Motorprobleme erzeugen die Harmonischen der 2, 5, 8, 11, 14, 17, 20 und 23 Ordnung. Zu den etwas "gutartigeren Oberschwingungen" die zur Erwärmung von Leitern, Schutzschaltern usw. führen, zählen die 4, 7, 10, 13, 16, 19, 22 und 25 Oberschwingung.


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